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Unerklärliche Traurigkeit: Auf den Spuren des Sad Nipple Syndroms

Das Sad Nipple Syndrom (SNS) ist eine relativ neu beschriebe und praktisch nicht erforschte emotionale Reaktion, die manche Menschen beim Berühren ihrer Brustwarzen erleben. Betroffene berichten dabei von tiefen Gefühlen der Traurigkeit, Angst oder sogar Scham, die sie unmittelbar nach der Berührung ihrer Brustwarzen erfahren. Diese Empfindungen sind nicht auf eine physische Ursache zurückzuführen, sondern scheinen rein emotionaler Natur zu sein.

Einige Experten weisen darauf hin, dass das Sad Nipple Syndrom Ähnlichkeiten mit dem Dysphorischen Milcheinschussreflex (D-MER) aufweist. Bei D-MER handelt es sich um einen medizinischen Zustand, der während des Stillens bei Müttern auftritt und durch eine plötzliche Abnahme des Glückshormons Dopamin kurz vor dem Milchausschuss charakterisiert ist, was zu kurzzeitigen dysphorischen Gefühlen führt.

Für Menschen, die nie gestillt haben, gibt es jedoch keine physiologische Erklärung für ähnliche Emotionen. Eine Vermutung ist, dass extrem sensible Brustwarzen Endorphine freisetzen könnten, wenn sie berührt werden, was wiederum zu emotionalen Reaktionen führen könnte. Diese Theorie stützt sich auf die Tatsache, dass Nippelstimulation zur Ausschüttung von Oxytocin führen kann, einem Hormon, das auch mit Überlebensinstinkten wie Angst und Unruhe verbunden ist.

Derzeit gibt es keine offizielle Behandlung für das Sad Nipple Syndrom, da die genauen Ursachen noch nicht verstanden sind. Fachleute betonen die Notwendigkeit wissenschaftlicher Forschung, um zu bestimmen, ob das Syndrom hormonell, psychologisch, physiologisch oder eine Kombination daraus ist. Als vorläufige Maßnahme steht die Reduzierung der Nippel Stimulation im Vordergrund, zum Beispiel durch das Tragen einer zusätzlichen Schicht Polsterung im BH. Langfristig können Expositionsübungen und die Verknüpfung der Berührung mit positiven Emotionen Linderung verschaffen.

Obwohl es noch viel zu erforschen gibt, bietet das Wissen, nicht allein mit diesem Phänomen zu sein, einigen Betroffenen Trost. Wie bei vielen wenig verstandenen medizinischen Phänomenen bleibt auch das Sad Nipple Syndrom ein Bereich, in dem Forschung dringend benötigt wird, um betroffenen Personen adäquate Unterstützung und Lösungen anzubieten.

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Funktionieren Triggerwahrnungen wie vorgesehen?

Die Debatte um Triggerwarnungen, die als Hilfsmittel dienen sollen, um Menschen auf potenziell belastende Inhalte vorzubereiten, ist sowohl in akademischen als auch in öffentlichen Diskussionen präsent. Während Befürworter argumentieren, dass Triggerwarnungen es Menschen ermöglichen, eine informierte Entscheidung über ihre Konfrontation mit potenziell verstörenden Inhalten zu treffen, glauben Kritiker, dass solche Warnungen durch Vermeidungsverhalten zu mehr Belastung führen können. Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse von Victoria Bridgland und Kollegen der Flinders University, veröffentlicht in „Clinical Psychological Science“, beleuchtet diese Thematik mit empirischen Daten.

Die Forscher sammelten Studien, die Triggerwarnungen vor der Präsentation eines Medieninhalts verwendeten und anschließend psychologische oder psychophysiologische Reaktionen wie Emotionen, Angstzustände oder Herzfrequenz der Teilnehmer maßen. Zwölf Studien von 2018 bis heute gingen in die Analyse mit ein, wobei ein hoher Prozentsatz der Studien mit Überlebenden von Traumata arbeiteten, vermutlich weil diese Gruppe am meisten von Triggerwarnungen profitieren soll.

Die Meta-Analyse zeigte, dass Triggerwarnungen einen vernachlässigbaren Einfluss auf emotionale Reaktionen und Vermeidungsverhalten zeigten. Die Teilnehmenden entschieden sich größtenteils dafür, die vorgestellten Inhalte zu betrachten und fühlten sich emotional nicht getriggert. In einer Studie, in der die Teilnehmenden zwischen Artikeln mit und ohne Triggerwarnungen wählen konnten, entschieden sich die Versuchspersonen eher für jene mit Triggerwarnungen,

Es zeigte sich, dass die Präsenz von Triggerwarnungen zu einer erhöhten antizipatorischen emotionalen Reaktion führte, nicht aber die Wahrscheinlichkeit beeinflusste, das mit Warnung versehene Material zu betrachten. Dies deutet darauf hin, dass durch eine Triggerwarnung zwar eine Belastung erwartet wird, diese Erwartung aber nicht dazu führt, dass das entsprechende Material nicht betrachtet wird.

Die Forschenden untersuchten auch, ob die Präsenz von Triggerwarnungen das Verständnis für das betrachtete Material beeinflusst. Insgesamt deuteten die Ergebnisse jedoch darauf hin, dass die Einbeziehung von Triggerwarnungen keinen Einfluss auf das Verständnis des Inhalts hatte.

In ihrer Schlussfolgerung weisen die Autoren darauf hin, dass die Ergebnisse ihrer Analyse „fast einstimmig darauf hindeuten, dass Triggerwarnungen Belastungen nicht mildern.“ Diese Ergebnisse scheinen nicht darauf zurückzuführen zu sein, dass die Menschen die Triggerwarnungen einfach ignorieren, wie durch Ergebnisse belegt wird, die zeigen, dass die Teilnehmenden häufig negative Emotionen antizipieren, wenn sie sich auf belastenden Inhalt vorbereiten. Insgesamt haben Warnungen zwar einen anfänglichen Einfluss auf das emotionale Erleben, aber sobald der Inhalt tatsächlich betrachtet wird, gibt es keine Unterschiede zwischen den Reaktionen derjenigen, die vorgewarnt wurden, und denen, die es nicht waren.

Interessanterweise erhöhte die Präsenz von Triggerwarnungen in einigen Fällen sogar die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen mit belastendem Inhalt beschäftigten. Dies steht im Einklang mit früheren Forschungen, die zeigen, dass viele Menschen unangenehme Reize anstatt zu vermeiden aktiv aufsuchen, ein potenzieller „forbidden fruit“ Effekt, der belastende Inhalte ansprechender macht.

Diese Studie ist jedoch mit einigen Einschränkungen verbunden. Erstens wurde eine relativ kleine Anzahl von Studien herangezogen, und alle Stichproben stammten aus WEIRD-Gesellschaften (White, Educated, Industrialized, Rich, and Democratic), was die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse einschränken könnte. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich die meisten der in ihre Analysen einbezogenen Studien auf einzelne Zeitpunkte konzentrieren; es ist möglich, dass sich im Laufe der Zeit kleine Expositionen gegenüber beunruhigenden Nachrichten über den Inhalt akkumulieren und zu einer größeren psychischen Belastung führen können.

Ungeachtet dessen, ob Triggerwarnungen Belastungen wie beabsichtigt mildern, finden viele Menschen sie hilfreich, um eine informierte Entscheidung über den Konsum von Inhalten zu treffen. Ein komplettes Aufgeben von Triggerwarnungen ist daher nicht sinnvoll, auch wenn sie nicht den Effekt haben, den sich einige davon erhoffen.

Ließ die vollständige Studie hier: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/21677026231186625

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Paraphilien

Störungen der Sexualpräferenz

Unter Störungen der Sexualpräferenz, synonym auch Paraphilien, versteht man Diagnosen, bei denen sexuelle Stimulation primär durch unübliche (teils sogar illegale) sexuelle Handlungen oder Fantasien erlebt wird.

Diagnostik
In Deutschland werden behandlungsbedürftige Störungen nach dem ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems der WHO) diagnostiziert. Am 01.01.2022 wurde das ICD-11 eingeführt, welches mit einer 5 jährigen Übergangszeit das ICD-10 ablösen wird.

Diese Gruppe der Sexualpräferenzstörungen wurde für das ICD-11 grundlegend überarbeitet. Der Fokus liegt stärker auf nicht einvernehmlichen sexuellen und/oder eigengefährdenden Handlungen. Die Störungsgruppe wurde in „Paraphile Störungen“ umbenannt. Die Diagnosen Fetischismus, fetischistischer Transvestitismus und Sadomasochismus wurden gestrichen. Dafür wurden die Diagnosen „Sexueller Sadismus mit Zwang“, „Frotteuristische Störung“, „Andere paraphile Störungen mit nicht einwilligenden Personen“ und „Paraphile Störung mit Einzelverhalten oder einwilligenden Personen“ aufgenommen.

Nach ICD-10 müssen mindestens 3 Kriterien erfüllt sein, damit eine Störung der Sexualpräferenz diagnostiziert werden kann. Das G1 Kriterium beschreibt wiederholt auftretende intensive sexuelle Impulse und Fantasien, die sich auf ungewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten beziehen. Das G2 Kriterium besagt, dass ein Handeln entsprechend der Impulse vorkommt oder ein Leidensdruck besteht. Das G3 Kriterium besagt, dass die Symptome mindestens seit sechs Monaten bestehen.

Ätiologie
Die meisten Erklärungsansätze zu Paraphilien sind nicht ausreichend empirisch belegt und viele klassische Erklärungsansätze können bereits als widerlegt gelten.

Bis heute hat das lerntheoretische Modell mit Einschränkungen Gültigkeit, das im Prinzip auf klassischer Konditionierung fußt. Diese Theorie geht davon aus, dass frühe Masturbationserfahrungen in der kritischen Phase der psychosexuellen Entwicklung an spezifische Situationen oder Objekte gekoppelt werden und so der ursprünglich neutrale Reiz (z.B. Füße) zu einem konditionierten Reiz wird, der später selbstständig sexuelle Erregung auslöst. Auch wenn die Theorie nicht erklärt, warum bestimmte Fetischobjekte besonders häufig vorkommen, behält sie bis heute ihre Gültigkeit.

Kurt Freund (z. B. 1988) führte das Konzept der Werbungsstörung („courtship disorder“) ein. Er schlägt vor, dass einige paraphile Störungen letztlich Störungen im Werbeverhalten sind. Je nach Störung sind eine oder mehrere Phasen betroffen. Als Beleg führt er dafür u.a. an, dass Störungen aus dem Spektrum der Werbestörungen häufig komorbid miteinander auftreten (z.B. Voyeurismus und Exhibitionismus).

Der Pädophilie kommt aufgrund ihrer Auftretenshäufigkeit und dem massiven Schaden, den Opfer von Pädophilie potentiell erleiden, eine besondere Rolle zu. Hierzu gibt es eigene Theorien der Ätiologie, die sich zum Teil von anderen Paraphilien unterscheiden.

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Sexuelle Funktionsstörungen

Sexuelle Funktionsstörungen

Die Einteilung der Gruppe sexueller Funktionsstörungen, auch sexuelle Dysfunktionen genannt, basiert auf der Beschreibung des sexuellen Reaktionszyklus. Masters und Johnson (1966) unterschieden vier Phasen: die Erregungsphase, die Plateauphase, die Orgasmusphase und die Rückbildungsphase. Dieses Modell wurde 1972 von Sexualtherapeutin H.S. Kaplan weiterentwickelt und um die Appetenzphase ergänzt, während sie auf die Plateauphase als eigene Phase verzichtete.

Analog zu diesen Phasen unterscheidet man die sexuellen Funktionsstörungen. Die Einteilung wurde zusätzlich durch die Störungen mit sexuell bedingten Schmerzen, wie z.B. Vaginismus (Beier, 2001), ergänzt, die je nach Autor zu den Erregungsstörungen oder als eigene Klasse gezählt werden.

Diagnostik
In Deutschland werden behandlungsbedürftige Störungen nach dem ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems der WHO) diagnostiziert. Am 01.01.2022 wurde das ICD-11 eingeführt, welches mit einer 5 jährigen Übergangszeit das ICD-10 ablösen wird.

ICD-10 und ICD-11 ähneln sich in der Diagnose sexueller Funktionsstörungen. Der wichtigste Unterschied in der aktuellen Diagnostik ist, dass das ICD-10 zwischen sexuellen Funktionsstörungen ohne (F-Kapitel: Psychische und Verhaltensstörungen) und mit organischen (N-Kapitel: Krankheit des Urogenitalsystems) Ursachen unterscheidet, während diese Unterscheidung im ICD-11 aufgegeben und durch einen integrativen Diagnoseansatz ersetzt wird. Zudem werden sexuelle Funktionsstörungen nicht mehr unter psychischen Störungen geführt, sondern bekommen zusammen mit der Genderinkongruenz eine neue Kategorie „Zustände mit Bezug zur sexuellen Gesundheit“.

Die Diagnosekriterien sind in beiden Manualen, ähnlich wie die Störungen selbst, vergleichbar. Nach ICD-10 müssen mindestens 4 Kriterien erfüllt sein, damit eine sexuelle Funktionsstörung diagnostiziert werden kann. Das G1 Kriterium beschreibt, dass die Symptome Leidensdruck verursachen. Das G2 Kriterium besagt, dass Symptome häufig auftreten aber gelegentlich auch fehlen können. Das G3 Kriterium besagt, dass die Symptome mindestens seit sechs Monaten bestehen. Das G4 Kriterium erklärt, dass die Symptomatik nicht durch andere Ursachen besser erklärt werden kann. Die Störungen können weiter differenziert werden, z.B. nach Schwere und Häufigkeit.

Ätiologie
Sexuelle Funktionsstörungen entstehen aus einem Zusammenspiel mehrere Faktoren. Hierbei kann man prädisponierende, auslösende und aufrechterhaltende Bedingungen unterscheiden. So könnte z.B. ein Mann sehr religiös erzogen worden und Sexualität für ihn mit viel Scham besetzt sein (Prädisposition). Durch mangelnde Kommunikation in einer neuen Partnerschaft schafft der Mann es nicht, dieser Scham Ausdruck zu verleihen (Auslöser), auf Symptomeben kommt es zu einer erektilen Dysfunktion, so dass eine erfüllte Sexualität nicht möglich ist. Aufgrund von Vorwürfen der Partnerin und erlebter Beschämung verselbstständigt sich die Angst und der Mann vermeidet Intimität (Aufrechterhaltung). Obwohl das Paar es schafft, ihre Kommunikation zu verbessern und der Mann seine Scham bezüglich Sexualität langsam verliert, kann das Vermeidungsverhalten zu einer Aufrechterhaltung der sexuellen Probleme führen. Die Störung kann also eine Eigendynamik entwickeln und so auch dann weiterhin bestehen bleiben, wenn auslösende und/oder prädisponierende Faktoren nicht mehr bestehen.

Je nach psychologischer Denkschule liegen die Schwerpunkte bei der Erklärung der Störung auf unterschiedlichen Bedingungen. Psychodynamische Modelle nehmen den intrapsychischen Konflikt mehr in den Fokus, systemische Modelle haben einen besonderen Blick auf die Konstellationen, die die Störung bedingen und verhaltenstherapeutische Modelle interessieren sich besonders für aufrechterhaltene Faktoren. Allerdings ist dies eine gewissermaßen künstliche Trennung, die ätiologischen Modelle selbst liegen im Kern nah beieinander.

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Sexualpsychologie

Definition

Sexualpsychologie ist ein Teilgebiet der Psychologie, das sich mit psychischen Vorgängen und Verhaltensweisen beschäftigt, die im Zusammenhang mit Sexualität stehen. Dazu zählen die sexuelle und geschlechtliche Entwicklung, die vielfältigen Formen menschlicher Sexualität sowie die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. Auch biologische und physiologische Grundlagen sowie Geschlechterunterschiede werden in der Sexualpsychologie betrachtet.

Ein Teilgebiet der Sexualpsychologie stellt die klinische Sexualpsychologie dar. Diese betrachtet Sexualität durch die Linse der klinischen Psychologie und Psychotherapie. Besonderes Augenmerk richtet die klinische Sexualpsychologie auf sexuelle Funktionsstörungen, Paraphilien, sexuelle Identität und Geschlechtsidentität, zwanghaftes Sexualverhalten und die Therapie mit der Sexualität und partnerschaftlichen Beziehungen in Verbindung stehender Konflikte (Sexual- und Paartherapie).

Sexualpsychologie und Sexualwissenschaften bzw. Sexologie werden häufig synonym verwendet. Allerdings kann die Sexualpsychologie als eine Teildisziplin der Sexualwissenschaften angesehen werden, welche sich auf das menschliche Erleben und Verhalten fokussiert. Als weitere zentrale Teildisziplinen der Sexualwissenschaften können die Sexualpädagogik und Sexualmedizin angesehen werden. Darüber hinaus bereichern viele weitere Disziplinen wie z.B. die Biologie, die Soziologie und die Rechtswissenschaften, um nur einige zu nennen, die Sexualwissenschaften.

Die in der Sexualpsychologie eingesetzten Forschungsmethoden sind vielfältig und reichen von Genanalysen über fMRT und EEG Messungen bis hin zu großen Fragebogenstudien. Über die Jahre hat sich so ein immer besseres Verständnis der menschlichen Sexualität entwickelt und zahlreiche spezifische Ansätze zur Therapie sexueller Probleme etabliert. Trotzdem fällt es auch vielen Psycholog:innen schwer, über diese Themen zu sprechen. Eine gute Ausbildung kann hier helfen, eigene Vorurteile und Wissenslücken abzubauen und einen adäquaten Umgang mit der menschlichen Sexualität im professionellen Kontext zu erlernen.

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Therapie sexueller Störungen

Sexualtherapie

Die Sexualtherapie beschäftigt sich mit der Behandlung sexueller Störungen im weitesten Sinne. Dies beinhaltet die Gruppe der sexuellen Funktionsstörungen, Störungen der Sexualpräferenz und geschlechtsdysmorphe Störungen.

Masters und Johnson
Ihren Ursprung hat die moderne Sexualtherapie in dem Programm von Masters und Johnson in den 70gern des letzten Jahrhunderts. Masters und Johnson gingen davon aus, dass Versagens- bzw. Leistungsängste sowie die Selbstbeobachtung die größten Hindernisse ungestörter Sexualität darstellten. Der Ansatz lässt sich dabei als erfahrungsorientiert, symptomzentriert, zielgerichtet und zeitbegrenzt beschreiben. Masters und Johnson wollten mit ihrer Methode die Hindernisse identifizieren, die die sexuell Funktion einschränkt, und dann dem Paar dabei zu helfen, diese Hindernisse zu beseitigen oder zu modifizieren.
Um eine Veränderung herbeizuführen und erlebbar zu machen, entwickelten die Forscher erfahrungs- und körperzentrierte Übungen, die Paare in der Therapie und zu Hause durchführen sollten. Besondere Bekanntheit erlangten Übungen zum Sensualitätsfokus (Sensate-Focus), die später als der zentrale Wirkfaktor des gesamten Programms identifiziert werden konnte. Beim Sensate-Focus wird das Paar durch entsprechende Übungen zusammen mit einem vorübergehenden Verbot genitaler Sexualkontakte von destruktiven Leistungs- und Versagensängsten entlasten und durch die (Wieder-)Entdeckung und Nutzung von Sinnlichkeit und Berührung einen indirekten Zugang zur Symptomverbesserung ermöglichen. Gleichzeitig werden Kommunikationsfertigkeiten vermittelt und eine offene Kommunikation des Paares gefördert.

Helen Kaplan
Aufbauend auf das Modell von Masters und Johnson veröffentlichte Helen Kaplan 1974 das Buch The New Sex Therapie, in dem sie ein multikausales, psychosomatisch fundiertes Ätiologiemodell vorstellte. Sie postulierte, dass Sexualtherapie aus der Integration von sexuellen Erfahrungen besteht, wobei der psychotherapeutische Bearbeitung der intrapsychischen Konflikte der Patienten sowie die Dynamik von Paaren eine besondere Rolle zukommt. Dabei bieten die Übungen nach Masters und Johnson die Möglichkeit, korrigierende sexuelle Erfahrungen zu sammeln und sind gleichzeitig ein wichtiges Werkzeug in der Diagnostik der zugrunde liegenden Problematik.

Pharmakologische Therapie
Mit der Einführung der PDE5-Hemmer (Sildenafil bzw. Viagra als erstes oral wirksames Medikament) stand in den 90gern des letzten Jahrhunderts erstmals auch eine wirksame Pharmakotherapie zur Behandlung von Erektionsstörungen zur Verfügung. Während die Entdeckung der PDE5-Hemmer einer kleinen Revolution in der Sexualtherapie gleich kam und heute 90% der Männer, die unter behandlungsbedürftiger erektilen Dysfunktion leiden damit behandelt werden, stellte sich doch eine gewisse Ernüchterung ein. Die erhoffte pharmakologische Revolution in der Sexualtherapie blieb aus. Die Substanzen Dapoxetin zur Behandlung von frühzeitigem Samenerguss genauso wie Flibanserin zur Behandlung weiblicher Lustlosigkeit haben zwar eine entsprechende Marktzulassung, aufgrund der verhältnismäßig geringen Wirkung gegenüber zum Teil erheblichen Nebenwirkungen ist die Akzeptanz für beide Medikamente aber gering. Zudem brechen 60 % der Patienten, die PDE5-Hemmer verschrieben bekommen, die Behandlung aufgrund von unterschiedlichsten Gründen wie den Nebenwirkungen, den Kosten und einem bestehenbleiben der partnerschaftlichen Probleme, innerhalb der ersten 3 Monate wieder ab.

Aktuelle Entwicklung
In den letzten Jahren haben sich neue Ansätze in der Sexualtherapie entwickelt, die versuchen, die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte aus der Sexualtherapie mit Fortschritten in der Psychotherapie zu vereinen. Dabei stehen ein störungsübergreifender Rahmen und ein störungsorientiertes Vorgehen im Zentrum. Als Vertreter einer neuen Sexualtherapie können der Hannover-Ansatz oder das Hamburger-Modell verstanden werden, wobei Letzteres sich stärker in der Tradition der Originaltherapie von Masters und Johnson sieht.

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Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität

Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität

Sexuelle Orientierung und der Zusammenhang mit der Geschlechtsidentität einer Person, stellen eine wichtige Thematik dar, die weitreichende Auswirkungen auf Lebensbereiche wie Freundschaften, Liebe, Familie, Schule/Universität und die Gesellschaft haben kann. Beides stehen in engen Zusammenhang, sind aber unterschiedliche Konzepte.

Sexuelle Orientierung
Die sexuelle Orientierung einer Person ist ihre emotionale und sexuelle Anziehung zu einem bestimmten Geschlecht. Es handelt sich um eine persönliche Eigenschaft, die Menschen dazu veranlasst, eine romantische oder sexuelle Anziehung (oder eine Kombination davon) zu Personen eines bestimmten Geschlechts zu empfinden. Die sexuelle Orientierung bezieht sich dabei auch auf das Identitätsgefühl einer Person, das auf dieser Anziehung, den damit verbundenen Verhaltensweisen und der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Personen, die diese Anziehung teilen, beruht.
Die sexuelle Orientierung kann auf viele Arten definiert werden. Heterosexualität ist die Anziehung zu Personen des anderen Geschlechts, während Homosexualität (umgangssprachlich schwul oder lesbisch) die Anziehung zu Personen des eigenen Geschlechts bedeutet. Der Begriff Bisexualität wurde traditionell für die Anziehung zu Personen des männlichen oder weiblichen Geschlechts verwendet, wird aber in letzter Zeit in einem weniger binären Modell (d. h. eines Modells, das nicht davon ausgeht, dass es nur zwei Geschlechter gibt) von Geschlecht verwendet, um die Anziehung zu jedem Geschlecht zu beschreiben. Es wurden auch alternative Begriffe wie Pansexualität und Polysexualität entwickelt, die sich auf die Anziehung zu allen Geschlechtern bzw. auf die Anziehung zu mehreren Geschlechtern beziehen. Asexualität bezieht sich darauf, dass man sich zu keinem Geschlecht sexuell hingezogen fühlt. Zahlreiche andere Bezeichnungen werden in zunehmendem Maße entwickelt und verwendet, und manche Menschen entscheiden sich dafür, überhaupt keine Bezeichnungen zu verwenden. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Begriff „queer“ als eine nicht-binäre Sichtweise von Geschlecht und Sexualität durchgesetzt, die ein Spektrum und/oder eine Fluidität von Konzepten umfasst, die früher als nur zwei (binäre) Optionen definiert wurden (z. B. männlich/weiblich, heterosexuell/schwul, Frau/Mann).

Geschlechtsidentität
Wichtig bei der Betrachtung der sexuellen Orientierung einer Person ist neben der sexuellen Präferenz das Geschlechts einer Person. Von Geburt an wird Kindern ein Geschlecht (engl. sex) zugewiesen, und sie werden sozialisiert, um bestimmten Geschlechterrollen (engl. gender) zu entsprechen, die auf ihrem biologischen Geschlecht basieren.
Das biologische Geschlecht bezieht sich dabei auf die physischen oder physiologischen Unterschiede zwischen Männern, Frauen und intersexuellen Personen, einschließlich ihrer primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Die Geschlechterrolle hingegen bezieht sich auf soziale oder kulturelle Unterscheidungen, die mit einem bestimmten Geschlecht verbunden sind. Wenn Babys geboren werden, wird ihnen auf der Grundlage ihres biologischen Geschlechts eine Geschlechterrolle zugewiesen – männliche Babys werden als Jungen, weibliche Babys als Mädchen geboren, und intersexuelle Babys werden normalerweise in die eine oder andere Kategorie eingeteilt. Wissenschaftler betrachten die Geschlechterrolle im Allgemeinen als soziales Konstrukt, d. h. es existiert nicht von Natur aus, sondern ist ein Konzept, das durch kulturelle und gesellschaftliche Normen geschaffen wird.
Von Geburt an werden Kinder sozialisiert, um bestimmten Geschlechterrollen zu entsprechen, die auf ihrem biologischen Geschlecht und dem ihnen zugewiesenen Geschlecht basieren. Das subjektive Zugehörigkeitserleben zu einem Geschlecht wird als Geschlechtsidentität (engl. gender identity) bezeichnet.

Transsexualität
Diejenigen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht entspricht (z. B. wird einer Person bei der Geburt ein weibliches Geschlecht zugewiesen und diese identifizieren sich auch weiterhin als Frau im Laufe ihres Leben), werden als cisgender bezeichnet. In vielen westlichen Kulturen werden Personen, die sich mit einem Geschlecht identifizieren, das von ihrem biologischen Geschlecht abweicht (z. B. wird einer Person bei der Geburt ein weibliches Geschlecht zugewiesen, sie identifiziert sich aber innerlich als Junge oder als ein anderes nicht-weibliches Geschlecht), als Transgender bezeichnet. Einige Transgender-Personen, die Zugang zu Ressourcen und medizinischer Versorgung haben, entscheiden sich dafür, ihren Körper durch medizinische Eingriffe wie Operationen und Hormonbehandlungen zu verändern, damit ihr körperliches Wesen besser mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt. Neuere Begriffe wie „genderqueer“, „genderfluid“, „gender variant“, „androgyn“, „agender“ und „gender nonconforming“ werden von Personen verwendet, die sich im Rahmen der binären Geschlechtszugehörigkeit weder als Mann noch als Frau identifizieren. Stattdessen identifizieren sie sich irgendwo in einem Spektrum oder Kontinuum von Geschlechtern oder ganz außerhalb des Spektrums, oft in einer Weise, die sich kontinuierlich weiterentwickelt.

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Formen menschlicher Sexualiät

Formen menschlicher Sexualität

Sexualität und die Art und Weise wie sie ausgelebt wird, kann sich in verschiedenen Aspekten und Formen zwischen Menschen unterscheiden. Dabei spielen sowohl das Umfeld und die Kultur wie auch intrapersonelle Faktoren wie Alter, Geschlecht und persönliche Vorlieben eine Rolle. Somit kann die Sexualität immer als Produkt einer Gemeinschaft zu einem gewissen Zeitpunkt gesehen werden, auf die individuelle Dispositionen ebenso einwirken wie aktuelle Einflüsse von außen.
Bewegt man sich im Thema Sexualität im Bereich des gewohnten, können andere Formen von menschlicher Sexualität vorschnell als seltsam oder abnormal erscheinen. Hier ist es wichtig alle Formen von menschlicher Sexualität gleichberechtig anzuerkennen, um von einem Normalbegriff der Sexualität wegzukommen.
Menschliche Sexualität kann in verschiedenen Aspekten unterschieden werden. In den folgenden Absätzen werden auf Unterschiede in der Art des sexuellen Kontaktes und Häufigkeiten, Art von Sexualbeziehungen und ungewöhnlichen Praktiken eingegangen.

Deskriptive Unterteilung
Sexueller Kontakt kann normativ grob zwischen sexueller Selbststimulierung, sexuellem Kontakt mit einem oder mehrerer Personen des eigenen oder eines anderen Geschlechts und sexuellem Kontakt mit Tieren oder Objekten unterschieden werden. Penetrativer Geschlechtsverkehr mit einem oder einer Sexualpartner*in kann weiter in oralen, vaginalen und analen Geschlechtsverkehr unterteilt werden. Oral und Anal unterteil man wiederum in aktiven und passiven Geschlechtsverkehr, wobei aktiv den oder die stimulierenden Partner*in bezeichnet und passiv den oder die Stimulierte*n. Desweiterem besteht die Möglichkeit Geschlechtsverkehr zwischen mehreren Personen in verschiedenen Sexstellungen auszuführen. Eine Umfrage aus dem Jahr 2017 brachte heraus, dass die Hündchenstellung (Doggy Style) gefolgt von Missionarsstellung und Reiterstellung die am liebsten praktizierten Sexstellungen der Deutschen sind. Neben Art des Geschlechtsverkehrs und Stellung unterscheiden sich Menschen in vielen weiteren Aspekten der Sexualität, wie dem Ort, Risikoverhalten (z.B. der Verzicht auf Kondome) oder die Häufigkeit.

Beziehungsformen
Unterschiedliche Vorlieben gibt es auch in der Art der ausgelebten sexuellen Beziehung. So kann sexueller Kontakt im Rahmen einer Monogamie oder einer Polyamorie ausgelebt werden. In einer Monogamie entschließen sich beide Sexualpartner*innen dazu, ausschließlich mit dem oder der anderen Partner*in sexuell aktiv zu sein. Personen in einer polyamoren Beziehung haben sich gemeinsam dafür entschlossen, mehrere aktive Sexualpartner*innen zu haben.

Kink
Neben Unterschieden in der Art des sexuellen Kontaktes und in den Partnerpräferenzen existieren Sexualpraktiken, die seltener sind und gelegentlich als anstößig erlebt werden und deswegen weniger kommuniziert werden. Diese Praktiken werden unter dem Überbegriff „kink“ zusammengefasst, wobei die Definition davon, was unter diesen Begriff fällt, stark von historischen und kulturellen Faktoren abhängig ist. Häufig wird der Begriff kink und BDSM synonym genutzt, auch wenn der Begriff kink ein breiteres Spektrum an sexuellem Verhalten umfasst.

BDSM
BDSM fasst alle sexuellen Praktiken zusammen, in denen es um Macht, Kontrolle und sexuell praktizierten Gewalt geht. Die Abkürzung BDSM leitet sich aus den Wörter Bondage & Disziplin, Dominance & Submission und Sadismus & Masochismus her. Unter Bondage fallen alle sexuelle Praktiken die sich um fesseln und fixieren drehen. Disziplin befasst sich mit Macht und Kontrolle, was am Beispiel von Dominance und Submission ein klares Machtverhältnis erkennen lässt. Sadomasochismus beschreibt Personen, die beim Demütigen anderer Personen (Sadisten) oder beim Gedemütigt werden (Masochisten) Lust empfinden.

Fetisch
Neben BDSM treffen auch Paraphilien und Fetischismen in der Gesellschaft oft auf Unverständnis. Bei Paraphilien erfolgt die sexuelle Befriedigung ausschließlich durch unübliche Objekte und weicht deshalb von der gesellschaftlichen Norm ab. Von einer Störung kann allerdings erst dann gesprochen werden, wenn die betroffene Person oder andere darunter leiden. Fetischismus konzentriert sich dabei auf die sexuelle Erregung aufgrund von spezifischen Reizen wie unbelebten Objekten (z.B. Latex oder Leder) oder durch das Riechen, Lecken und Schmecken von Objekten wie Füßen oder Schuhen.

Einordnung
Wer gerne was wie praktiziert ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie Alter, Kultur, individuelle Dispositionen und Geschlecht. Sexualpraktiken, sexuelle Beziehungen oder sexuelle Aktivitäten, die von der Norm abweichen, sind keineswegs falsch oder schlecht. Sie sind schlichtweg anders und fremd zu dem, was unserer momentanen alltäglichen Realität entspricht. Offen zu bleiben für Neues und Ungewohntes ist hier der Schlüssel zur Akzeptanz von verschiedenen Formen der menschlichen Sexualität.

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Sexualität über die Lebensspanne

Sexualität über die Lebensspanne

Die sexuelle Entwicklung ist ein komplexer Prozess, der sich über verschiedene Phasen des menschlichen Lebens erstreckt und durch biologische, psychologische und soziale Faktoren beeinflusst wird. Der Text illustriert die Schlüsselstadien von der Geburt bis ins Erwachsenenalter und bietet einen Überblick über die Entfaltung sexueller Differenzierung und Verhaltensweisen. Es gibt viele Möglichkeiten, die verschiedenen Stadien einzuteilen, dies ist nur eine Unterteilung von vielen.

Von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr durchlaufen Individuen die Phase der sexuellen Differenzierung. In diesem Zeitraum sind biologische Prozesse wie Hormonaktivitäten und genetische Faktoren maßgeblich, die zur Entwicklung der primären Geschlechtsmerkmale führen. Diese Phase ist die Grundlage für die weitere sexuelle Identität und Orientierung.

Zwischen dem dritten und achten Lebensjahr vollzieht sich die geschlechtliche Differenzierung. In dieser Phase beginnen Kinder, ihr eigenes Geschlecht zu erkennen und geschlechtsspezifische Verhaltensweisen zu übernehmen. Die soziale Umgebung, einschließlich der Familie und Altersgenossen, spielt eine entscheidende Rolle bei der Verstärkung geschlechtsbezogener Normen und Erwartungen.

Die soziale und emotionale Anziehung und Bindung, die von etwa acht bis zehn Jahren andauert, beinhaltet die Entwicklung tieferer emotionaler Beziehungen und Freundschaften. Während dieser Zeit entwickeln Kinder oft starke emotionale Bindungen zu Gleichaltrigen und beginnen, soziale Fähigkeiten zu entwickeln, die für spätere romantische Beziehungen wichtig sind.

In der Pubertät, die normalerweise zwischen dem zehnten und fünfzehnten Lebensjahr beginnt, treten wesentliche Veränderungen auf, die sowohl das physische Erscheinungsbild als auch das psychologische Erleben beeinflussen. Genitale Erregung und sexuelles Verlangen werden häufig durch externe Auslöser stimuliert, und Jugendliche beginnen, ein tieferes Verständnis für sexuelle Konzepte und Identität zu entwickeln.

Das späte Teenageralter und frühe Erwachsenenalter sind geprägt von der Festigung sexueller Präferenzen und Beziehungsstile. Erwachsene explorieren und festigen ihre sexuelle Identität weiter, was oft die Wahl von langfristigen Partnern und den Beginn von Familien einschließt. Sexuelle Beziehungen werden oft komplexer und tiefgründiger, während sexuelle Aktivitäten und Intimität zu wichtigen Bestandteilen der persönlichen Zufriedenheit und Qualität von Beziehungen werden.

Im mittleren bis späten Erwachsenenalter können sich die sexuellen Bedürfnisse und Ausdrucksweisen weiterentwickeln. Für viele bleibt Sexualität ein wichtiger Aspekt des Lebens, auch wenn biologische Veränderungen wie die Menopause oder Andropause das sexuelle Erleben modifizieren können. Das Verständnis und die Anpassung an diese Veränderungen sind für die Aufrechterhaltung einer gesunden sexuellen Beziehung und eines erfüllenden Sexuallebens wesentlich.

In der Sexualität im Alter können zwar physiologische Funktionen nachlassen, doch Intimität und Zärtlichkeit behalten ihren hohen Stellenwert. Ältere Erwachsene können ihre sexuelle Ausdrucksfähigkeit anpassen und finden oft neue Wege, um ihre Sexualität im Einklang mit ihren sich verändernden körperlichen und emotionalen Bedürfnissen zu erleben. In dieser Phase wird deutlich, dass sexuelles Wohlbefinden nicht ausschließlich von körperlicher Leistungsfähigkeit abhängt, sondern von der Qualität der emotionalen Verbindung und der Offenheit gegenüber verschiedenen Formen der Zuneigung und des sexuellen Ausdrucks.

Es ist wichtig zu betonen, dass eine breite individuelle Vielfalt bestehen. Kulturelle Normen, persönliche Erfahrungen und die individuelle biologische Entwicklung können den Verlauf der sexuellen Entwicklung beeinflussen. Das Verständnis der sexuellen Entwicklung als dynamischen und lebenslangen Prozess kann dazu beitragen, ein gesünderes Sexualleben zu fördern und die Vielfalt menschlicher Sexualität zu respektieren.

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Biologische Grundlagen

Biologische Grundlagen

Die verschiedenen Geschlechter sind sich anatomisch sehr ähnlich, verfügen jedoch über unterschiedliche körperliche Mechanismen, die es ihnen ermöglichen, sexuelle Handlungen vorzunehmen und sich fortzupflanzen. Im Rahmen dieses Textes betrachten wir die männliche und weibliche Anatomie. Es ist jedoch wichtig, sich die große Vielfalt der intersexuellen Anatomie vor Augen zu halten und sich bewusst zu machen, dass ein Großteil der beschriebenen Anatomie und Physiologie den verschiedenen intersexuellen Körpern auf unterschiedliche Weise entspricht.

Weibliche Anatomie
Die äußeren Genitalien der Frau werden als Vulva bezeichnet und umfassen den Venushügel, die großen und die kleinen Venuslippe (Schamlippen), die Klitoris, den Scheideneingang und die Harnröhrenöffnung. Die inneren Fortpflanzungsorgane der Frau bestehen aus der Vagina, der Gebärmutter, den Eileitern und den Eierstöcken. Die Gebärmutter beherbergt den sich entwickelnden Fötus, produziert Vaginal- und Gebärmuttersekret und leitet die Spermien des Mannes zu den Eileitern weiter. Die Eierstöcke geben die Eizellen ab. Eine Frau wird mit allen bereits produzierten Eiern geboren. Die Vagina ist über den Gebärmutterhals mit der Gebärmutter verbunden, während die Gebärmutter über die Eileiter mit den Eierstöcken verbunden ist. Die Frau hat einen monatlichen Fortpflanzungszyklus; in bestimmten Abständen geben die Eierstöcke ein Ei frei, das durch den Eileiter in die Gebärmutter gelangt. Wenn die Eizelle auf diesem Weg auf Spermien trifft, können die Spermien in die Eizelle eindringen, sich mit ihr vereinigen und sie befruchten. Wird die Eizelle nicht befruchtet, wird sie durch die Menstruation aus dem Körper ausgeschwemmt.

Männliche Anatomie
Auch Männer haben sowohl innere als auch äußere Genitalien, die für die Fortpflanzung und den Geschlechtsverkehr zuständig sind. Männer produzieren ihre Spermien ebenfalls in einem Zyklus, aber entgegen des weiblichen Eisprungs produzieren die männlichen Geschlechtsorgane ständig Millionen von Spermien pro Tag. Die wichtigsten männlichen Geschlechtsorgane sind der Penis und die Hoden, von denen letztere Samen und Spermien produzieren. Das Sperma und die Spermien können nach dem Geschlechtsverkehr eine Eizelle im Körper der Frau befruchten. Aus der befruchteten Eizelle (Zygote) entwickelt sich ein Fötus, der später als Kind geboren wird.

Neuroanatomie
Das Gehirn ist die Struktur, die die Nervenimpulse der Geschlechtsorgane und Haut in angenehme Empfindungen umsetzt. Es kontrolliert die Nerven und Muskeln, die beim Sexualverhalten zum Einsatz kommen. Das Gehirn reguliert die Ausschüttung von Hormonen, die als physiologischer Ursprung des sexuellen Verlangens gelten. Es wird angenommen, dass die Großhirnrinde, die äußere Schicht des Gehirns, die das Denken und die Schlussfolgerungen ermöglicht, der Ursprung sexueller Gedanken und Fantasien ist. Unterhalb der Hirnrinde befindet sich das limbische System, das aus der Amygdala, dem Hippocampus, dem Gyrus cinguli und dem Septalbereich besteht. Es wird angenommen, dass diese Strukturen den Ursprung von Emotionen und Gefühlen bilden und für das Sexualverhalten von Bedeutung sind.
Der Hypothalamus ist der wichtigste Teil des Gehirns für die sexuelle Funktion. Es handelt sich dabei um einen kleinen Bereich an der Basis des Gehirns, der aus mehreren Gruppen von Nervenzellkörpern besteht und Input vom limbischen System erhält. Studien mit Labortieren haben gezeigt, dass die Zerstörung bestimmter Bereiche des Hypothalamus zu einer vollständigen Unterdrückung des Sexualverhaltens führt. Einer der Gründe für die Bedeutung des Hypothalamus ist seine Beziehung zur Hypophyse, die die Hormone absondert, die im Hypothalamus produziert werden.

Sexueller Reaktionszyklus
Die sexuelle Motivation, oft auch als Libido bezeichnet, ist der allgemeine sexuelle Antrieb oder das Verlangen einer Person nach sexueller Aktivität. Diese Motivation wird durch biologische, psychologische und soziale Faktoren bestimmt. Bei den meisten Säugetierarten steuern Sexualhormone die Fähigkeit, sich sexuell zu betätigen. Bei Primaten (einschließlich des Menschen) regulieren die Sexualhormone jedoch nicht direkt die Fähigkeit zum Geschlechtsverkehr, sondern sind nur ein Faktor, der die Motivation zu sexuellen Handlungen beeinflusst. Soziale Faktoren wie Arbeit und Familie haben ebenso einen Einfluss wie interne psychologische Faktoren wie Persönlichkeit und Stress. Der Sexualtrieb kann auch durch psychische und körperliche Krankheiten, Medikamente, Stress, Lebensstil, Schwangerschaft und Beziehungsprobleme beeinflusst werden.
Der sexuelle Reaktionszyklus ist ein Modell, das die physiologischen Reaktionen beschreibt, die während der sexuellen Aktivität ablaufen. Nach William Masters und Virginia Johnson besteht der Zyklus aus vier Phasen: Erregung, Plateau, Orgasmus und Auflösung. Die Erregungsphase ist die Phase, in der die intrinsische (innere) Motivation, Sex zu haben, entsteht. Die Plateauphase bereitet den Weg zum Orgasmus. Der Orgasmus ist die Entladung der Spannung, und die Auflösungsphase ist der nicht erregte Zustand am Ende des Zyklus.

Hormone
Mehrere wichtige Sexualhormone werden von der Hirnanhangsdrüse ausgeschüttet. Oxytocin, auch bekannt als das „Kuschelhormon“, wird beim Geschlechtsverkehr ausgeschüttet, wenn ein Orgasmus erreicht wird. Oxytocin wird auch bei Frauen freigesetzt, wenn sie gebären oder stillen; es wird angenommen, dass Oxytocin an der Aufrechterhaltung enger Beziehungen beteiligt ist. Sowohl Prolaktin als auch Oxytocin regen die weibliche Milchproduktion an. Das follikelstimulierende Hormon (FSH) ist bei Frauen für den Eisprung verantwortlich, indem es die Eireifung auslöst. Bei Männern stimuliert FSH die Spermienproduktion. Das luteinisierende Hormon (LH) löst bei der Frau die Freisetzung einer reifen Eizelle während des Eisprungs aus.
Bei Männern scheint Testosteron ein wichtiger Faktor für die sexuelle Motivation zu sein. Vasopressin ist an der männlichen Erregungsphase beteiligt, und der Anstieg von Vasopressin während der Erektionsphase steht möglicherweise in direktem Zusammenhang mit der gesteigerten Motivation zu sexuellen Handlungen.
Die Beziehung zwischen Hormonen und weiblicher sexueller Motivation ist nicht so gut erforscht, was größtenteils auf die Überbetonung der männlichen Sexualität in der westlichen Forschung zurückzuführen ist. Östrogen und Progesteron regulieren in der Regel die Motivation zu sexuellem Verhalten bei Frauen, wobei Östrogen die Motivation steigert und Progesteron sie senkt. Der Spiegel dieser Hormone steigt und fällt im Laufe des Menstruationszyklus einer Frau. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass auch Testosteron, Oxytocin und Vasopressin in ähnlicher Weise wie bei Männern an der sexuellen Motivation von Frauen beteiligt sind. Die genaue hormonelle Regulation der sexuellen Lust ist aber bis heute nicht endgültig aufgeklärt.

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