Die Sexualtherapie beschäftigt sich mit der Behandlung sexueller Störungen im weitesten Sinne. Dies beinhaltet die Gruppe der sexuellen Funktionsstörungen, Störungen der Sexualpräferenz und geschlechtsdysmorphe Störungen.
Masters und Johnson
Ihren Ursprung hat die moderne Sexualtherapie in dem Programm von Masters und Johnson in den 70gern des letzten Jahrhunderts. Masters und Johnson gingen davon aus, dass Versagens- bzw. Leistungsängste sowie die Selbstbeobachtung die größten Hindernisse ungestörter Sexualität darstellten. Der Ansatz lässt sich dabei als erfahrungsorientiert, symptomzentriert, zielgerichtet und zeitbegrenzt beschreiben. Masters und Johnson wollten mit ihrer Methode die Hindernisse identifizieren, die die sexuell Funktion einschränkt, und dann dem Paar dabei zu helfen, diese Hindernisse zu beseitigen oder zu modifizieren.
Um eine Veränderung herbeizuführen und erlebbar zu machen, entwickelten die Forscher erfahrungs- und körperzentrierte Übungen, die Paare in der Therapie und zu Hause durchführen sollten. Besondere Bekanntheit erlangten Übungen zum Sensualitätsfokus (Sensate-Focus), die später als der zentrale Wirkfaktor des gesamten Programms identifiziert werden konnte. Beim Sensate-Focus wird das Paar durch entsprechende Übungen zusammen mit einem vorübergehenden Verbot genitaler Sexualkontakte von destruktiven Leistungs- und Versagensängsten entlasten und durch die (Wieder-)Entdeckung und Nutzung von Sinnlichkeit und Berührung einen indirekten Zugang zur Symptomverbesserung ermöglichen. Gleichzeitig werden Kommunikationsfertigkeiten vermittelt und eine offene Kommunikation des Paares gefördert.
Helen Kaplan
Aufbauend auf das Modell von Masters und Johnson veröffentlichte Helen Kaplan 1974 das Buch The New Sex Therapie, in dem sie ein multikausales, psychosomatisch fundiertes Ätiologiemodell vorstellte. Sie postulierte, dass Sexualtherapie aus der Integration von sexuellen Erfahrungen besteht, wobei der psychotherapeutische Bearbeitung der intrapsychischen Konflikte der Patienten sowie die Dynamik von Paaren eine besondere Rolle zukommt. Dabei bieten die Übungen nach Masters und Johnson die Möglichkeit, korrigierende sexuelle Erfahrungen zu sammeln und sind gleichzeitig ein wichtiges Werkzeug in der Diagnostik der zugrunde liegenden Problematik.
Pharmakologische Therapie
Mit der Einführung der PDE5-Hemmer (Sildenafil bzw. Viagra als erstes oral wirksames Medikament) stand in den 90gern des letzten Jahrhunderts erstmals auch eine wirksame Pharmakotherapie zur Behandlung von Erektionsstörungen zur Verfügung. Während die Entdeckung der PDE5-Hemmer einer kleinen Revolution in der Sexualtherapie gleich kam und heute 90% der Männer, die unter behandlungsbedürftiger erektilen Dysfunktion leiden damit behandelt werden, stellte sich doch eine gewisse Ernüchterung ein. Die erhoffte pharmakologische Revolution in der Sexualtherapie blieb aus. Die Substanzen Dapoxetin zur Behandlung von frühzeitigem Samenerguss genauso wie Flibanserin zur Behandlung weiblicher Lustlosigkeit haben zwar eine entsprechende Marktzulassung, aufgrund der verhältnismäßig geringen Wirkung gegenüber zum Teil erheblichen Nebenwirkungen ist die Akzeptanz für beide Medikamente aber gering. Zudem brechen 60 % der Patienten, die PDE5-Hemmer verschrieben bekommen, die Behandlung aufgrund von unterschiedlichsten Gründen wie den Nebenwirkungen, den Kosten und einem bestehenbleiben der partnerschaftlichen Probleme, innerhalb der ersten 3 Monate wieder ab.
Aktuelle Entwicklung
In den letzten Jahren haben sich neue Ansätze in der Sexualtherapie entwickelt, die versuchen, die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte aus der Sexualtherapie mit Fortschritten in der Psychotherapie zu vereinen. Dabei stehen ein störungsübergreifender Rahmen und ein störungsorientiertes Vorgehen im Zentrum. Als Vertreter einer neuen Sexualtherapie können der Hannover-Ansatz oder das Hamburger-Modell verstanden werden, wobei Letzteres sich stärker in der Tradition der Originaltherapie von Masters und Johnson sieht.