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Unerklärliche Traurigkeit: Auf den Spuren des Sad Nipple Syndroms

Das Sad Nipple Syndrom (SNS) ist eine relativ neu beschriebe und praktisch nicht erforschte emotionale Reaktion, die manche Menschen beim Berühren ihrer Brustwarzen erleben. Betroffene berichten dabei von tiefen Gefühlen der Traurigkeit, Angst oder sogar Scham, die sie unmittelbar nach der Berührung ihrer Brustwarzen erfahren. Diese Empfindungen sind nicht auf eine physische Ursache zurückzuführen, sondern scheinen rein emotionaler Natur zu sein.

Einige Experten weisen darauf hin, dass das Sad Nipple Syndrom Ähnlichkeiten mit dem Dysphorischen Milcheinschussreflex (D-MER) aufweist. Bei D-MER handelt es sich um einen medizinischen Zustand, der während des Stillens bei Müttern auftritt und durch eine plötzliche Abnahme des Glückshormons Dopamin kurz vor dem Milchausschuss charakterisiert ist, was zu kurzzeitigen dysphorischen Gefühlen führt.

Für Menschen, die nie gestillt haben, gibt es jedoch keine physiologische Erklärung für ähnliche Emotionen. Eine Vermutung ist, dass extrem sensible Brustwarzen Endorphine freisetzen könnten, wenn sie berührt werden, was wiederum zu emotionalen Reaktionen führen könnte. Diese Theorie stützt sich auf die Tatsache, dass Nippelstimulation zur Ausschüttung von Oxytocin führen kann, einem Hormon, das auch mit Überlebensinstinkten wie Angst und Unruhe verbunden ist.

Derzeit gibt es keine offizielle Behandlung für das Sad Nipple Syndrom, da die genauen Ursachen noch nicht verstanden sind. Fachleute betonen die Notwendigkeit wissenschaftlicher Forschung, um zu bestimmen, ob das Syndrom hormonell, psychologisch, physiologisch oder eine Kombination daraus ist. Als vorläufige Maßnahme steht die Reduzierung der Nippel Stimulation im Vordergrund, zum Beispiel durch das Tragen einer zusätzlichen Schicht Polsterung im BH. Langfristig können Expositionsübungen und die Verknüpfung der Berührung mit positiven Emotionen Linderung verschaffen.

Obwohl es noch viel zu erforschen gibt, bietet das Wissen, nicht allein mit diesem Phänomen zu sein, einigen Betroffenen Trost. Wie bei vielen wenig verstandenen medizinischen Phänomenen bleibt auch das Sad Nipple Syndrom ein Bereich, in dem Forschung dringend benötigt wird, um betroffenen Personen adäquate Unterstützung und Lösungen anzubieten.

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Funktionieren Triggerwahrnungen wie vorgesehen?

Die Debatte um Triggerwarnungen, die als Hilfsmittel dienen sollen, um Menschen auf potenziell belastende Inhalte vorzubereiten, ist sowohl in akademischen als auch in öffentlichen Diskussionen präsent. Während Befürworter argumentieren, dass Triggerwarnungen es Menschen ermöglichen, eine informierte Entscheidung über ihre Konfrontation mit potenziell verstörenden Inhalten zu treffen, glauben Kritiker, dass solche Warnungen durch Vermeidungsverhalten zu mehr Belastung führen können. Eine kürzlich durchgeführte Meta-Analyse von Victoria Bridgland und Kollegen der Flinders University, veröffentlicht in „Clinical Psychological Science“, beleuchtet diese Thematik mit empirischen Daten.

Die Forscher sammelten Studien, die Triggerwarnungen vor der Präsentation eines Medieninhalts verwendeten und anschließend psychologische oder psychophysiologische Reaktionen wie Emotionen, Angstzustände oder Herzfrequenz der Teilnehmer maßen. Zwölf Studien von 2018 bis heute gingen in die Analyse mit ein, wobei ein hoher Prozentsatz der Studien mit Überlebenden von Traumata arbeiteten, vermutlich weil diese Gruppe am meisten von Triggerwarnungen profitieren soll.

Die Meta-Analyse zeigte, dass Triggerwarnungen einen vernachlässigbaren Einfluss auf emotionale Reaktionen und Vermeidungsverhalten zeigten. Die Teilnehmenden entschieden sich größtenteils dafür, die vorgestellten Inhalte zu betrachten und fühlten sich emotional nicht getriggert. In einer Studie, in der die Teilnehmenden zwischen Artikeln mit und ohne Triggerwarnungen wählen konnten, entschieden sich die Versuchspersonen eher für jene mit Triggerwarnungen,

Es zeigte sich, dass die Präsenz von Triggerwarnungen zu einer erhöhten antizipatorischen emotionalen Reaktion führte, nicht aber die Wahrscheinlichkeit beeinflusste, das mit Warnung versehene Material zu betrachten. Dies deutet darauf hin, dass durch eine Triggerwarnung zwar eine Belastung erwartet wird, diese Erwartung aber nicht dazu führt, dass das entsprechende Material nicht betrachtet wird.

Die Forschenden untersuchten auch, ob die Präsenz von Triggerwarnungen das Verständnis für das betrachtete Material beeinflusst. Insgesamt deuteten die Ergebnisse jedoch darauf hin, dass die Einbeziehung von Triggerwarnungen keinen Einfluss auf das Verständnis des Inhalts hatte.

In ihrer Schlussfolgerung weisen die Autoren darauf hin, dass die Ergebnisse ihrer Analyse „fast einstimmig darauf hindeuten, dass Triggerwarnungen Belastungen nicht mildern.“ Diese Ergebnisse scheinen nicht darauf zurückzuführen zu sein, dass die Menschen die Triggerwarnungen einfach ignorieren, wie durch Ergebnisse belegt wird, die zeigen, dass die Teilnehmenden häufig negative Emotionen antizipieren, wenn sie sich auf belastenden Inhalt vorbereiten. Insgesamt haben Warnungen zwar einen anfänglichen Einfluss auf das emotionale Erleben, aber sobald der Inhalt tatsächlich betrachtet wird, gibt es keine Unterschiede zwischen den Reaktionen derjenigen, die vorgewarnt wurden, und denen, die es nicht waren.

Interessanterweise erhöhte die Präsenz von Triggerwarnungen in einigen Fällen sogar die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen mit belastendem Inhalt beschäftigten. Dies steht im Einklang mit früheren Forschungen, die zeigen, dass viele Menschen unangenehme Reize anstatt zu vermeiden aktiv aufsuchen, ein potenzieller „forbidden fruit“ Effekt, der belastende Inhalte ansprechender macht.

Diese Studie ist jedoch mit einigen Einschränkungen verbunden. Erstens wurde eine relativ kleine Anzahl von Studien herangezogen, und alle Stichproben stammten aus WEIRD-Gesellschaften (White, Educated, Industrialized, Rich, and Democratic), was die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse einschränken könnte. Die Autoren weisen darauf hin, dass sich die meisten der in ihre Analysen einbezogenen Studien auf einzelne Zeitpunkte konzentrieren; es ist möglich, dass sich im Laufe der Zeit kleine Expositionen gegenüber beunruhigenden Nachrichten über den Inhalt akkumulieren und zu einer größeren psychischen Belastung führen können.

Ungeachtet dessen, ob Triggerwarnungen Belastungen wie beabsichtigt mildern, finden viele Menschen sie hilfreich, um eine informierte Entscheidung über den Konsum von Inhalten zu treffen. Ein komplettes Aufgeben von Triggerwarnungen ist daher nicht sinnvoll, auch wenn sie nicht den Effekt haben, den sich einige davon erhoffen.

Ließ die vollständige Studie hier: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/21677026231186625

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Warum haben Giraffen lange Hälse?

Der Hals der Giraffe muss schon lange für die Erklärung evolutionärer Prozesse herhalten. Lamarck ging Anfang des 19. Jahrhunderts noch davon aus, dass sich der Hals der Giraffe dadurch veränderte, dass diese ihren Kopf immer mehr strecke, um an höhergelegene Blätter zu kommen. Diese durch die Umstände geformte Veränderung habe die Giraffe dann an ihre Nachkommen gegeben. Über Generationen konnten so die Giraffen immer längere Hälse entwickeln.

Natürliche Selektion

Mit der Beschreibung der Evolutionstheorie in „Über die Entstehung der Arten“ beschrieb Darwin Mitte des 19. Jahrhunderts einen alternativen Prozess, der bis heute im Kern noch gilt, die natürliche Selektion. Darin beschreibt er, dass Tiere sich nicht aktiv an die Umwelt anpassen, sondern es eine natürliche Variation in den Arten gibt. Lebewesen die besser an ihre Umwelt angepasst sind, haben eine höhere Wahrscheinlichkeit zu überleben und ihre Gene an ihre Nachkommen weiter zu geben.

Im Fall der Giraffen heißt das, dass es Urgiraffen mit längeren und kürzeren Hälsen gab. Die Giraffen mit längeren Hälsen kamen besser an die hoch gelegenen Blätter und hatten so einen Überlebensvorteil gegenüber ihren Artgenossen mit kürzeren Hälsen. Weil diese Giraffen dadurch eine höhere Überlebensrate hatten, konnten sie mehr Nachkommen produzieren, die die Eigenschaft eines langen Halses vererbten. Auch in diesen Nachkommen gab es wieder eine Varianz, wobei erneut die Giraffen mit längeren Hälsen aufgrund der Umweltbedingungen mehr Nachkommen produzieren konnten, es wurde also für einen langen Hals „selektiert“.

Sexuelle Selektion

Darwin beschrieb aber noch eine weitere Form der Auslese, nämlich die sexuelle Selektion. Durch die sexuelle Fortpflanzung konkurrieren Lebewesen in ihrem Geschlecht um den oder die beste Fortpflanzungspartner:in. Ein Paradebeispiel dafür ist der Schwanz der männlichen Pfauen. Dieser ist für das Überleben eher hinderlich, kann also nicht mit der natürlichen Selektion erklärt werden. Da allerdings nur fitte, gesunde Pfauen ein prächtiges Federwerk hervorbringen, zeigt er genau diese Eigenschaften auch potentiellen Partnerinnen. Ein weiteres Beispiel sind Walrosse; hier werden die Bullen doppelt bis dreimal so groß wie die Weibchen, damit sie sich im Kampf mit Artgenossen bestehen können.

Bereits vor 25 Jahren schlugen Robert Simmons und Lue Scheepers vor, dass der lange Hals der Giraffen sich durch sexuelle und nicht natürliche Selektion entwickelt habe. Sie führten dafür die Argumente ins Feld, das Giraffenbullen ihre langen Hälse nutzen, um Revierkämpfe auszutragen und um Weibchen zu buhlen. Zudem zeigen empirische Daten, dass Giraffen in einer Dürreperiode keinen direkten evolutionären Vorteil gegenüber Artgenossen haben.

Aktuelle Studie

Eine neue Studie scheint diese Hypothese nun zu unterstützen. Forscher fanden in China die Fossilien einer Urgiraffe (Discokeryx xiezhi, benannt nach dem asiatischen Einhorn-Fabeltier Xiezhi), die eine dicke, scheibenförmige Struktur auf dem Kopf trug, die vermutlich mit einem Horn. Die Forscher vermuten, dass die Urgiraffen im Kampf mit Artgenossen, ähnlich wie heutige Steinböcke, ihre Köpfe gegeneinander rammten. So könnte dieser Fund zeigen, dass Giraffen diese Form des Kampfes evolutionär schon sehr lange nutzen und er daher eine Triebfeder für die Entwicklung des langen Halses darstellen könnte.

Geschlechterdimorphismus

Ist das Rätsel um den langen Hals der Giraffe damit gelöst? Leider nicht ganz. Normalerweise entwickelt sich im Rahmen der sexuellen Selektion ein Geschlechterdimorphismus. Männliche Walrösser sind größer als weibliche, nur männliche Pfauen können mit ihrem Federkleid ein Rad schlagen usw. Weibliche Giraffen haben aber praktisch einen genauso langen Hals wie die Männchen.

Aktuelle Erklärungsansätze

Daher gehen heutige Erklärungsansätze davon aus, dass der lange Hals der Giraffe aus einer Mischung aus natürlicher und sexueller Selektion entstanden ist. Sowohl im Kampf wie auch als Fressnische (nur wenige andere Spezies konkurrieren um die hoch gelegenen Blätter) hat sich der lange Hals bewährt. Beide Faktoren haben dazu geführt, dass Giraffen mit langen Hälsen erfolgreicher waren und so mehr Nachkommen in die Welt setzen konnten.

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