Paraphilien

Störungen der Sexualpräferenz

Unter Störungen der Sexualpräferenz, synonym auch Paraphilien, versteht man Diagnosen, bei denen sexuelle Stimulation primär durch unübliche (teils sogar illegale) sexuelle Handlungen oder Fantasien erlebt wird.

Diagnostik
In Deutschland werden behandlungsbedürftige Störungen nach dem ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems der WHO) diagnostiziert. Am 01.01.2022 wurde das ICD-11 eingeführt, welches mit einer 5 jährigen Übergangszeit das ICD-10 ablösen wird.

Diese Gruppe der Sexualpräferenzstörungen wurde für das ICD-11 grundlegend überarbeitet. Der Fokus liegt stärker auf nicht einvernehmlichen sexuellen und/oder eigengefährdenden Handlungen. Die Störungsgruppe wurde in „Paraphile Störungen“ umbenannt. Die Diagnosen Fetischismus, fetischistischer Transvestitismus und Sadomasochismus wurden gestrichen. Dafür wurden die Diagnosen „Sexueller Sadismus mit Zwang“, „Frotteuristische Störung“, „Andere paraphile Störungen mit nicht einwilligenden Personen“ und „Paraphile Störung mit Einzelverhalten oder einwilligenden Personen“ aufgenommen.

Nach ICD-10 müssen mindestens 3 Kriterien erfüllt sein, damit eine Störung der Sexualpräferenz diagnostiziert werden kann. Das G1 Kriterium beschreibt wiederholt auftretende intensive sexuelle Impulse und Fantasien, die sich auf ungewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten beziehen. Das G2 Kriterium besagt, dass ein Handeln entsprechend der Impulse vorkommt oder ein Leidensdruck besteht. Das G3 Kriterium besagt, dass die Symptome mindestens seit sechs Monaten bestehen.

Ätiologie
Die meisten Erklärungsansätze zu Paraphilien sind nicht ausreichend empirisch belegt und viele klassische Erklärungsansätze können bereits als widerlegt gelten.

Bis heute hat das lerntheoretische Modell mit Einschränkungen Gültigkeit, das im Prinzip auf klassischer Konditionierung fußt. Diese Theorie geht davon aus, dass frühe Masturbationserfahrungen in der kritischen Phase der psychosexuellen Entwicklung an spezifische Situationen oder Objekte gekoppelt werden und so der ursprünglich neutrale Reiz (z.B. Füße) zu einem konditionierten Reiz wird, der später selbstständig sexuelle Erregung auslöst. Auch wenn die Theorie nicht erklärt, warum bestimmte Fetischobjekte besonders häufig vorkommen, behält sie bis heute ihre Gültigkeit.

Kurt Freund (z. B. 1988) führte das Konzept der Werbungsstörung („courtship disorder“) ein. Er schlägt vor, dass einige paraphile Störungen letztlich Störungen im Werbeverhalten sind. Je nach Störung sind eine oder mehrere Phasen betroffen. Als Beleg führt er dafür u.a. an, dass Störungen aus dem Spektrum der Werbestörungen häufig komorbid miteinander auftreten (z.B. Voyeurismus und Exhibitionismus).

Der Pädophilie kommt aufgrund ihrer Auftretenshäufigkeit und dem massiven Schaden, den Opfer von Pädophilie potentiell erleiden, eine besondere Rolle zu. Hierzu gibt es eigene Theorien der Ätiologie, die sich zum Teil von anderen Paraphilien unterscheiden.